Buchbesprechung: Sonne in Scherben von Jayrôme C. Robinet

In seinem neuesten Roman Sonne in Scherben gelingt es Jayrôme C. Robinet, eine Geschichte zu erzählen, die so dringend erzählt werden muss, wie sie berührt. Es ist ein Buch, das nicht nur moderne Geschlechterrollen und alternative Familienstrukturen hinterfragt, sondern auch den enormen gesellschaftlichen Druck aufzeigt, unter dem queere Menschen in unserer Gesellschaft stehen.

Enzo und Angèle – zwei Charaktere, die in ihrer Lebendigkeit und Authentizität sofort ins Herz gehen. Enzo, charmant und in sich ruhend, und Angèle, deren Lässigkeit und Lebensfreude ansteckend wirken, bilden ein Paar, das in seiner Liebe füreinander unerschütterlich scheint. Doch als sich die beiden ein Kind wünschen und es schließlich Enzo ist, der schwanger wird, gerät ihr Leben in den Fokus der Öffentlichkeit – und damit in den Strudel von Hass und Hetze.

 

Die mediale Aufmerksamkeit und die daraus resultierende Hetzkampagne gegen das Paar sind erschütternd und zeigen auf bedrückende Weise, wie weit unsere Gesellschaft noch immer von Akzeptanz und Verständnis entfernt ist. Die Schilderungen, wie die Medien sich auf den „Fall“ des schwangeren trans Mannes stürzen, sind nicht nur realistisch, sondern erschreckend zeitgemäß. Hier wird deutlich, wie verletzlich das Private im Licht der Öffentlichkeit wird und welchen seelischen Schaden diese Entmenschlichung anrichten kann.

 

Besonders tragisch ist der Wendepunkt, an dem das Paar sein neugeborenes Kind verliert. Angèles Reaktion auf den Verlust, die schließlich in einer unvorstellbaren Tat mündet, stellt nicht nur ihr eigenes Leben, sondern auch das der Leserinnen auf den Kopf. Diese Wendung ist sowohl schockierend als auch nachvollziehbar, was die literarische Stärke Robinets unterstreicht: Er schafft es, das Unverzeihliche verständlich zu machen, ohne es zu entschuldigen.

 

Ein weiterer Aspekt, der dieses Buch so lesenswert macht, ist Enzos Auseinandersetzung mit seiner eigenen Familie. Das Trauma, das Enzo in seiner Kindheit erlebte, und die Beziehung zu seiner Mutter werden eindrucksvoll geschildert und bieten eine zusätzliche Tiefe, die den Roman noch packender macht. Diese Rückblicke verdeutlichen, wie tief persönliche Geschichte und Identität miteinander verwoben sind und wie schwer das Gepäck der eigenen Herkunft wiegen kann.

 

Robinet schreibt in einer poetischen, aber gleichzeitig sehr direkten Sprache, die das Buch zu einem intensiven Leseerlebnis macht. Seine Erzählweise ist zärtlich und respektvoll gegenüber den Figuren, ohne dabei die Härten ihrer Realität zu beschönigen. Die Balance zwischen Melancholie und Hoffnung, zwischen Verzweiflung und Liebe ist beeindruckend.

 

Abschließend lässt sich sagen: Sonne in Scherben ist ein zutiefst berührender Roman, der es wagt, neue Wege zu gehen und gleichzeitig die Herausforderungen des queeren Lebens in den Blick zu nehmen. Es ist ein wichtiges Buch, das nicht nur für Betroffene, sondern für alle, die an den Themen Liebe, Identität und gesellschaftlicher Wandel interessiert sind, eine aufrüttelnde Lektüre bietet. Die Tragik und der Mut der Protagonisten hinterlassen einen bleibenden Eindruck und machen deutlich, dass Liebe oft das Einzige ist, was uns im Angesicht der größten Herausforderungen zusammenhält.

 

 

Sonne in Scherben - Jayrôme C. Robinet

978-3-446-27954-4

Verlag Hanser Berlin in Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG

256 Seiten

Erscheinungsdatum 19.08.2024

 

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